Humor in den Bildern der Antiatombewegung

Auf der Konferenz des Sonderforschungsbereichs 923 „Bedrohte Ordnungen“ war Simon Teune eingeladen aus der Forschungsarbeit des Projektes zu humoristischen Protestbildern zu berichten. Die Tagung „What Do We Still Know? Knowing and Forgetting in Times of Threat“, die vom 28. bis 30. Juni 2018 in Tübingen stattfand, widmete sich Formen und Praktiken des Wissens und Vergessens in Reaktion auf Krisen und Umwälzungen. Das interdisziplinäre Programm berührte eine große Bandbreite historischer Epochen und spezifischer Alltagspraktiken – von dem Streit um die Auslegung des göttlichen Willens in der Spätantike über die Deutung von Erschöpfungszuständen als Reaktion auf Informationsüberfluss zu Beginn des 20 Jahrhunderts bis zu der populärkulturellen Spiegelung terroristischer Kommunikation nach dem elften September.

Karikatur aus der Broschüre „Gutachten für KKW Wyhl“ des AK Umweltschutz der Universität Freiburg , S.21, ca. 1976 Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Broschürensammlung SBe 731 G5

Im Panel „The Power of Knowledge. Emotional and Humorous Practices in the Context of Protest“ stellte Simon Teune die Projektperspektive auf visuelle Medienpraktiken und kollektive Emotionen vor. Humor in sozialen Bewegungen wird in einem wachsenden Literaturbestand in der Geschichtswissenschaft, der Anthropologie und der Soziologie aufgegriffen. Dabei wurden vor allem die Eigenschaften der Grenzmarkierung und der Herstellung von Gemeinschaft hervorgehoben (einen Überblick gibt Rachel Kutz-Flamenbaum).

In der Antiatombewegung lassen sich über Zeit durchaus Verschiebungen in der Nutzung von Humor erkennen. In der frühen Phase der Bewegung, die davon gekennzeichnet war, dass die Gefahren der Technologie vermittelt werden mussten und Konfrontationen mit dem „Atomstaat“ (Robert Jungk) bald die Erfahrungen der Aktivist*innen prägten, ist der Ton deutlich aggressiver. Auch wenn das Lächerlich-machen von Verantwortlichen über die ganze Entwicklung der Antiatombewegung beobachtbar ist, sind deren Abwertung und der Zorn gegen sie in den 1970er und -80er Jahren deutlich sichtbarer. Das Gegenüber wird als gierig und fahrlässig markiert, die Konsequenzen ihres Handelns als katastrophal. Gleichzeitig erweist sich Humor als ein wichtiges Mittel, um ein widerständiges Kollektiv zusammenzuschweißen. Während prägender Protestereignisse, insbesondere während der lang andauernden Platzbesetzungen, hilft Humor dabei, die Unterschiede zwischen den sehr vielfältigen Aktivist*innen – vom Weinbauern bis zur kommunistischen Studentin – zu überbrücken. Witze, Karikaturen und Spottlieder helfen auch dabei, Spannungen vor den drohenden Räumungen durch die Polizei abzubauen.

In der späten Phase, in der die Antiatombewegung ein etablierter Akteur der öffentlichen Debatte über Energie und Umwelt ist und eine gesellschaftliche Mehrheit gegen Atomenergie anführt, ändert sich auch der Ton des Humors. Die Bildsprache ist stärker als zuvor spielerisch und weniger dystopisch. Die Wut tritt zurück hinter einen Ausdruck der Überlegenheit gegenüber den politischen Gegner*innen. Mit dem Abkühlen des Konflikts wird der Humor milder und in Bewegungsmedien auch weniger sichtbar.

Die Analyse visueller Medien in der Antiatombewegung zeigt, das Bilder und kollektive Emotionen eng verknüpft sind. Bilder stellen einen gemeinsamen Bezug zur Welt her und sie bringen damit verbundene Emotionen zum Ausdruck. Wenn die eindrücklichen Ereignisse vorbei sind, helfen humoristische Bilder dabei,  diese Emotionen zu erinnern. Darüber hinaus erinnern sie Aktivist*innen daran, dass sie Teil einer größeren Sache sind. Dadurch dass sie Momente aufwühlender Konflikte mit dem Alltag verbinden, sind diese Bilder ein wesentlicher Erklärungsfaktor für die Stabilität sozialer Bewegungen.

Foto: Hildegard Doerr, Gorleben-Archiv 07-FO-41 33