Die Jahrestagung des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung fand im November 2019 unter der Überschrift „HASHTAGS TWEETS PROTEST Soziale Bewegungen im digitalen Zeitalter“ statt. Aus der Vernetzung im Rahmen des Projekts „Bilder der Empörung“ entstand die Idee für das Panel „Mobilisierende Bilder. Wie soziale Bewegungen visuelle Onlinemedien nutzen“, um die interdisziplinär Forschungsansätze in dem Themenfeld zusammenzuführen.
Zuerst stelte Simon Teune in einer diachronen Analyse die Entwicklung der digitalen Bildnutzung während der Proteste gegen Castor-Transporte dar. An der medialen Begleitung der alljährlichen Protesten von 1995 bis 2011, die mit der Entwicklung des Internets vom 28K-Modem bis Instagram zusammenfällt, lässt sich die kreative Aneignung neuer technologischer Möglichkeiten beobachten. Während in der frühen Phase die Entwicklung eigener Formate wie Indymedia oder der Castorticker im Vordergrund stand und Bilder wegen der eingeschränkten Übertragungsrate nur begrenzt eingesetzt wurden, spielen in jüngerer Zeit kommerzielle Plattformen (Flickr, Facebook, Twitter und Instagram) bei der Verbreitung von Bildern eine größere Rolle und spezifische Online-Formate wie Protest-Selfies und Sharepics werden.
Im Anschluss stellten Chris Tedjasukmana, Britta Hartmann und Jens Eder ihr Projekt „Aufmerksamkeitsstrategien des Videoaktivismus im Social Web“ vor. Das Projekt kartiert über Social Media verbreitete Videos, die Teil von politischen Interventionen sind oder werden. Von Augenzeugenvideos, die die Proteste von #BlackLivesMatter befeuerten, bis zu mit großem Budget produzierten Kampagnenvideos großer NGOs sind solche Videos eingebettet in von Algoritmen gesteuerte digitale Öffentlichkeiten. Wie Aktivist*innen die Videos herstellen und verbreiten, welche filmischen Narrative und Techniken eingesetzt werden, richtet sich stark an dem Ziel der Maximierung von Aufmerksamkeit aus.
Kathrin Fahlenbrach reflektierte im abschließenden Beitrag die veränderten Bedinungen, die digitale Kulturen für die Entstehung von Protestikonen darstellen. Dabei spielt die Eigentätigkeit und Kreativität einzelner User*innen eine wachsende Rolle. In der Vergangenheit war die Entstehung von Protestikonen stark an lineare Medien gebunden, die von professionellen Fotograf*innen aufgenommene Porträts – etwa das Foto Ché Guevaras von Alberto Korda – verbreiteten. Auch heute sind Protestikonen nach wie vor in erster Linie die Arbeiten von Pressefotograf*innen. Die Verbreitung solcher Bilder, ihre Kommentierung und Adaption wird aber durch digitale Bildbearbeitung und soziale Medien demokratisiert. Die symbolische und affektive Aufladung wird dabei in online communities vorangetrieben.